Erntedankfest am 08.10.2017

Am vergangenen Sonntag feierte unsere Gemeinde das alljährliche Erntedankfest. Der Gabentisch war dank Ihrer Spenden wieder bunt, vielfältig und reich gedeckt, wie die Bilder belegen. So eine Fülle vor dem Altar ist so gar keine Selbstverständlichkeit, wie Pfarrer Werner in seiner Predigt mit einem Blick in die Zeit zurück sehr lebendig und eindrucksvoll schilderte.

Er berichtete vom „Jahr ohne Sommer“, in dem 1816 in Folge eines Ausbruches des Vulkans Tambora im heutigen Indonesien eine massive Klimaveränderung in Europa und Nordamerika zu einer der größten Hungersnöte führte. Überschwemmungen durch Niederschläge und Fröste mitten im schönsten Sommer zerstörten über Nacht jede Ernte. Auch der südliche Teil des heutigen Deutschland war schwer betroffen. In der Rhön kochten die Menschen Suppe aus Birkenrinde und Lederstückchen, um nur irgendwas in den Magen zu bekommen.

Es war ein Sommer, in dem die Menschen wussten, dass die meisten von ihnen den Winter nicht überleben würden - vor allem nicht Kinder und alte Menschen. Tausende würden sterben. Sie wussten es und es blieb ihnen nichts anderes, als sich zu fügen. Wie viel Leid und Schmerz stand diesen Menschen bevor? Und wie mag sich so ein Hunger anfühlen, wie diese Angst in der unmittelbaren Nähe des Hungertodes? Wie mögen sich Eltern gefühlt haben, die ihren Kindern nichts mehr zu essen geben konnten?

Wohl niemand von uns kennt dieses Gefühl. Hunger heute? Ach, der ist doch so weit weg! Ja, gut, wir kennen diese Bilder aus den Medien: kleine Kinder mit ihren aufgeblähten Bäuchen, den sichtbaren Knochen direkt unter der Haut, mit ihren viel zu groß wirkenden Köpfen. Kinder, in deren großen Augen ein tieftrauriger Blick liegt. - Aber sonst geht es uns doch gut. Wir sind immer gut versorgt: Die Erträge der heimischen Landwirtschaft steigen kontinuierlich. Die Regale in den Supermärkten sind immer gut gefüllt. Wir produzieren so viel, dass wir sogar Energie daraus gewinnen können. Und sonderlich sorgsam gehen wir mit unseren Nahrungsmitteln auch nicht um: Sie werden in Fabriken "veredelt", mit „E’s“ aufgepeppt und mit viel Plastik drumherum schön fürs Auge gemacht. Nebenbei wird damit Geld verdient und Macht ausgeübt. Und am Ende haben wir so viele Waren, dass wir sie vernichten müssen, weil das Verfallsdatum abgelaufen ist. Und ein weiterer Erfolg: Wir haben unsere Ernährung doch längst unabhängiger von Klimaveränderungen gemacht. Gibt es in diesem Jahr keine heimischen Äpfel, fliegen wir sie eben aus Chile oder Neuseeland ein.  

Aber schauen wir hin: Der Hunger lebt auch unter uns. In der globalisierten Welt sind die Hunger-Brennpunkte nicht mehr weit weg. Die Menschen fliehen weltweit aus ihrer Heimat, machen sich auf die beschwerliche, oft lebensgefährliche Suche nach einem Leben anderswo, ohne Hunger und Naturkatastrophen, ohne Angst und Gewalt. Und dann gibt es die Menschen mitten unter uns, deren Einkommen kaum ausreicht, um die eigene Familie zu ernähren. Kinder, die ohne Frühstück und Pausenbrot in die Schule kommen. Familien, bei denen ab dem 20. jeden Monats der Kühlschrank leer ist. Kennen wir da nicht doch vielleicht jemanden, bei dem das genauso ist? Haben wir nicht vielleicht etwas beobachtet, was uns jetzt plötzlich die Augen öffnet?

Und Gott - wo ist er denn in alledem? Ist er nicht verantwortlich? Das wäre doch für uns Menschen die einfachste Lösung. Aber wer glaubt im Ernst noch, dass wir für Hungersnöte heutzutage Gott verantwortlich machen können? Pfarrer Werner sagte in seiner Predigt sehr treffend: „Sind nicht auch die krassesten Hungersnöte in der Welt die Ergebnisse von Gesellschaften, die seit Jahrzehnten in Bürgerkriegen leben? Die die ohnehin wenigen vorhandenen finanziellen Mittel und Ressourcen lieber in Waffen investieren als in Bildung und Infrastrukturen? Sicherlich. Wir ahnen vielleicht noch: Wir Menschen haben es sehr wohl in unserer Hand den Segen Gottes zu ruinieren, wenn wir überhaupt noch von ihm reden.“

Die Kirche feiert das Erntedankfest schon in langer Tradition. Auch in anderen Kulturkreisen gibt es ähnliche Feste und Riten. Uns Christen geht es heute darum: Dankbarkeit für all das, was wir glauben, selbstverständlich zu haben, Demut gegenüber allem, was uns aus Gott geschenkt ist und Achtsamkeit auf das sensible Gleichgewicht unserer Erde. Und wie geht das konkret? Im Grunde wissen wir es: innehalten und spüren, nachdenken und erkennen, achtsamer werden und Verantwortung übernehmen.  

Passend am Ende auch hier das Schlusswort der Predigt: „Denn nur durch Teilen empfängt man Segen.“

Ihnen allen sei von Herzen gedankt für Ihre Gaben!  Die Bad Neustädter Tafeln freuen sich über all die Lebensmittel, die nun den bedürftigen Menschen unter uns zu Gute kommen.

Hier finden Sie die Predigt von Pfarrer Werner zum Nachlesen.

Bild und Text: Manuela Butkus