Rückblick auf den Festgottesdienst zum Reformationsjubiläum am 31.10.2017

Aus vormaligen Feinden können Geschwister werden: Reformationsjubiläum – Gedenkgottesdienst in der Gustav-Adolf-Kirche

Dem Anlass angemessen, zogen Pfarrer Andreas Werner und Vikar Florian Mucha zum Abendgottesdienst anlässlich des 500. Reformationsgedenkens mit Evangeliar, Kelch und Hostiendose als Symbole für Leib und Blut Christi in die voll besetzte Gustav-Adolf-Kirche ein. In seiner Begrüßung freute sich Pfarrer Werner besonders über die katholischen Schwestern und Brüder. Um 15.17 Uhr hätten an diesem Tag die Glocken 500 Sekunden lang an den Ausgangspunkt der Reformation und den Thesenanschlag erinnert. In diese Zeit würden auch ganz dunkle Kapitel der gemeinsamen Kirchengeschichte fallen. „Wir leiden daran, dass es nicht gelungen ist, das ursprüngliche Ziel der Reformation zu erreichen, die Besinnung auf Christus als Zentrum des Glaubens in äußerer und innerer Einheit“, bedauerte Pfarrer Werner. In einem eindrucksvollen Gottesdienst sei in diesem Jahr um gegenseitige Vergebung gebeten worden. Nun gelte es, die geschenkte Vergebung auch zu leben. Man könne der Welt etwas zeigen, was sie aus sich heraus nicht kennt, das Evangelium, dass nämlich aus vormals Feinden Geschwister werden können. Man gehe den Weg vom Konflikt zur Gemeinschaft. Die Welt gehe momentan von der Gemeinschaft zum Konflikt. In der Epistel zitierte Vikar Mucha aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom, wo es heißt, die Menschen werden gerecht ohne Verdienst, allein aus Gnade. Thema des Evangeliums waren die Seligpreisungen.

Heute sei ein ganz besonderer Tag im Leben eines lutherischen Christen, begann Pfarrer Werner seine Predigt. Er sei dankbar, dass seine Kirche es vermochte, das Evangelium so zu bewahren und weiter zu geben, dass er sein ganzes Leben hindurch dem Christus begegnen durfte und ihn auch oft gefunden hatte. Seine Kirche habe es mit Hilfe des Heiligen Geistes verstanden, ihn und andere mit der Botschaft anzusprechen. Wenn Luther damals kein emotionales Verhältnis zu seiner Kirche gehabt, wenn er sie nicht geliebt und an ihren Fehlern gelitten hätte, wäre sein Mund geschlossen und seine Hand ruhig geblieben. Er, Werner, liebe seine Kirche grundsätzlich, weil sie immer so schrecklich menschliche Fehler macht. Sie sei so erlösungsbedürftig. Sie sei ein Ort des menschlichen Scheiterns, den Christus aufsucht. Sie sei so normal und trotzdem vom Geist des Evangeliums erfasst. Sie reicht weit über 500 Jahre hinaus, nach Jerusalem und zu den Aposteln und Apostelinnen. Seine Kirche sei das Spielfeld des Heiligen Geistes. Die Farbe Rot in diesem Gottesdienst sei die Farbe des Gedenkens derer, die ihr Leben für den Glauben lassen mussten. Oder, wie es Papst Franziskus gesagt hat: die Ökumene des Blutes. Als Papst Benedikt XVI. 2011 Erfurt besuchte, wurden Jugendliche gefragt, ob sie wüssten, dass er Papst ist und was das für sie bedeuten würde. Die überwiegende Zahl konnte damit nichts anfangen, einer meinte dazu „ich bin normal“. Das war das Stichwort für Vikar Mucha. Er wisse, was an ihm komisch ist: er sei Christ. Schlimmer noch: er möchte evangelischer Pfarrer werden. Wenn er das erzählt habe, sei er oft auf Unverständnis und Gelächter gestoßen. Er merke aber öfter, dass es schwer sei, an etwas zu glauben, was noch kein Menschen gesehen habe, Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu ergründen und zu begreifen, wie wenig davon in der Welt manchmal zu sehen sei. Warum brauche es die christliche Botschaft noch? Weil unsere Welt genauso wie unsere Kirchen von Erneuerung lebt. Vom Nachdenken darüber, wie sie ist und wie sie eigentlich sein sollte. Das sei Reformation, zurück zu den Wurzeln im positiven Sinn. In der Welt entdecke er vieles, was nicht so sein sollte, das Insektensterben, Klimawandel, Kapitalismus, Armut, Hunger, Umweltverschmutzung usw. Weil Gott ihn anspreche, wisse er, dass es dringend noch ganz viel Reformation in unserer Welt braucht und auch in der Kirche. Gott will unsere Welt verwandeln und verändern mit dem Heiligen Geist. Deshalb sollten alle auch im 501. Jahr der Reformation keine Angst davor haben, unnormal zu sein.

Gemeinsam wurde das Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ gesungen, in dem Luther Psalm 46 vertont hat. Zum Heiligen Abendmahl waren all Gläubigen über die Konfessionen hinweg eingeladen. Das Dank- und Fürbittgebet sprachen Pfarrer Andreas Werner, Pfarrer Thomas Menzel und Vikar Florian Mucha in ökumenischer Eintracht. Das Gleiche wiederholte sich am Allerheiligen-Gottesdienst in St. Kilian. Musikalisch umrahmte der Kirchenchor sehr ansprechend den Gottesdienst.

Nach dem Segen war Gelegenheit, diese Feier bei einem Glas Sekt und anregenden Gesprächen ausklingen zu lassen. Vertrauensfrau und Organistin Traudl Kihn hatte dazu eine kleine Lutherecke aufgebaut.

Bild und Text: Brigitte Gbureck